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Mittwoch, 27. Januar 2010

Jonas W.: Gegendarstellung zum Beitrag von Florian Ritter der UNIpress NR1 vom Januar 2010

Sehr geehrter Herr Florian Ritter,

bezugnehmend auf Ihren Artikel in der UNIpress NR1 vom Januar 2010 würde ich gerne ein paar Ihrer Punkte aufnehmen und in diesem Zuge eine Gegendarstellung leisten. In diesem Rahmen werde ich meine Aussagen mit Zahlen, Fakten und dazugehörigen Quellen stützen –
was Sie leider in Ihrem gesamten Artikel versäumt haben.

Der Artikel von Florian Ritter ist zu finden auf Seite 4-5 der UNIpress NR1.
Ein Download Link [1] ist im Anhang zu finden.





BesetzerInnen zum Großteil VertreterInnen von GRAS und VSStÖ
In Ihrem ersten Satz erklären Sie, dass die BesetzerInnen sich zu großen Teilen aus VertreterInnen von GRAS und VSStÖ zusammensetzen. Mich würde stark interessieren welcher Geschichte diese Informationen entspringen. Eine kleine Beispielrechnung dürfte schnell Aufschluss über diese unsinnige Aussage geben. In Ihrer Factbox sprechen sie von 60 Prozent der Studierenden, die gegen die Besetzung sind. Dafür sind – wie ich auf Seite 17, Grafik 3 entnommen habe – 32,8 Prozent. Bei über 20.000 Studierenden [2] macht das eine Befürwortergruppe von über 6.500 Personen aus. Zu Spitzenzeiten waren weit über 500 Personen bei den Plena anwesend. Selbst wenn wir einen utopischen Wert von 50 Fraktionierten annehmen, ist das noch lange nicht der von Ihnen beschriebene große Teil. Der geäußerte Vorwurf gegenüber der Besetzung diesbezüglich ist also nicht nur nicht haltbar, sondern hetzt zugleich gegen die beiden genannten Parteien – ob bewusst oder unbewusst sei dahingestellt. Was ich wiederum als sehr traurig empfinde, besonders da es sich um die Zeitschrift der ÖH und nicht der AG handelt?

60% der Studierenden gegen Hörsaalbesetzung
Zwar will ich keineswegs die Glaubwürdigkeit und Seriosität der von Ihnen beauftragten Umfrage in Frage stellen, aber gewisse Zweifel kommen durch mangelnde Quellenangaben dennoch auf. Erstens würde mich also sehr interessieren, wer für die Umfrage zuständig war. Zweitens verstehe ich nicht, wie bei der "Repräsentativ-Befragung zu Uni-Protesten" durch das Institut für Jugendkulturforschung heraus kommen konnte, dass mehr als 70 Prozent der Studierenden die Besetzungen befürworten [3]. Immerhin macht das einen Unterschied von 30 Prozent aus. Selbst wenn ich davon ausgehe, dass in Innsbruck weniger Studierende dafür waren als bundesweit, dann lässt sich mit dieser Abweichung wohl immer noch nicht die 30 Prozent Differenz erklären.

Wochenlanger Hausfriedensbruch
Am Anfang der dritten Spalte Ihres Textes sprechen Sie von Hausfriedensbruch [4]. Ich würde Ihnen dringend anraten, sich einmal mit der von Ihnen angebotenen Rechtsberatung kurzzuschließen. Denn diese könnte Ihnen mit Sicherheit erklären, dass zu keinem Zeitpunk Hausfriedensbruch (nach § 109 StGB) begangen wurde. Die Besetzung wurde durch das Rektorat toleriert. Die Bezeichnung Hausfriedensbruch stigmatisiert und diskriminiert somit alle teilnehmenden BesetzerInnen.

Kosten von über 150.000 Euro
Sie erwähnen in der dritten Spalte Kosten von mehr als 150.000 Euro. Ich habe versucht an offiziell bestätigte Zahlen über die Kosten zu kommen, welche die Besetzung verursacht hat. Als einziges Ergebnis bin ich jedoch auf folgende Aussage in der Onlineausgabe des ORF Tirol gestoßen: "Die Kosten für die 50 Tage dauernde Besetzung schätzt der Sprecher der Uni, Uwe Steger, auf 120.000 bis 150.000 Euro" [5]. Immerhin eine Differenz von möglicherweise 30.000 Euro. Die Quellen - die sie leider nirgends in Ihrem Beitrag erwähnen - welche die Kosten der Besetzung auf über 150.000 Euro beziffern, würde mich sehr interessieren. Bitte lassen Sie mir diese per E-Mail zukommen.
Weiterhin beschweren Sie sich, dass man das Geld besser für neues Lehrpersonal oder Räume hätte einsetzen können. Ziel der Besetzung war es unter anderem, mehr Geld für genau solche Dinge zu erhalten. Dass überhaupt Kosten für das Anmieten von Räumen notwendig gewesen sind, spricht für den schlechten Zustand und die mangelnde Ausstattung der Universitäten. Denn es darf nicht sein, dass eine Uni Ihren Betrieb nicht ordentlich aufrecht erhalten kann, nur weil ein Raum ausfällt. Aber da scheinen Sie anderer Meinung zu sein, das zumindest entnehme ich Ihrer Klage. Bei dieser Überlegung kann ich eigentlich nur hoffen, dass an der Uni nie Wasserschäden oder gar Umbauarbeiten einen Hörsaal für rund zwei Monate ausfallen lassen.

ÖH hat Vorschläge für das Geld
In Ihrem letzten Satz sprechen Sie davon, dass die ÖH sinnvollere Vorschläge für die "verschwendeten" Gelder hat - zum Wohl aller Studierenden.
Mir kam als erstes das ÖH-Adventskino vom Dezember 2009 in den Sinn. Sicherlich eine nette Aktion - die leider jedoch nur 480 Studierenden zur Verfügung stand. 480 der über 20.000 [2] Studierenden. Also weniger als 2,5 Prozent. Weiterhin mit Filmen, die im Rahmen einer "Universitären Veranstaltung" deutlich mehr Niveau hätten bieten dürfen, als es ein romantischer Liebesfilm (Film: Zweiohrküken) und ein Katastrophenfilm (Film: 2012) leisten können. Von den vermutlich verursachten Kosten ganz abzusehen. Das Wohl ALLER Studierenden kann ich in diesem Fall jedenfalls nicht erkennen.

Das Wohl aller Studierenden
In der fünften Spalte, dritter Absatz sprechen Sie ebenfalls vom Wohle aller Studierenden. Weiterhin fragen Sie, wer eigentlich noch vom Rektor vertreten wird. Ich frage mich diesbezüglich, wen die ÖH eigentlich (noch) vertritt? Die ÖH-Wahlen hatten eine Beteiligung von 23,26 Prozent, was 4832 Personen ausmacht. Die AG bekam knapp 50% der Stimmen, was rund 2400 Stimmen ergibt [6]. Bei einer Studierendenzahl von über 20.000 [7] ergibt das ziemlich genau 12 Prozent für die AG. Wenn wir die Wahlbeteiligung als Grad der Legitimierung ansehen, vertritt die aktuell amtierende ÖH also gerade einmal 23,26 Prozent aller Studierenden. Deutlich weniger übrigens als die 32,8 Prozent der Studierenden, die laut ÖH Erhebung die Besetzung legitimiert haben. Und noch viel weniger als die 70 Prozent durch das Institut für Jugendkulturforschung.

Eine schwer faszinierende Vorstellung, dass eine studentische Vertretung eine Bewegung von Studierenden bezüglich ihrer Legitimation kritisiert, obwohl sie selbst deutlich weniger legitimiert ist.

Und wo wir schon bei Wahlen, Legitimation und Pflichtbewusstsein gegenüber den Studierenden sind: Mich würde eine Korrelation zwischen WählerInnen und BesetzerInnen interessieren. Denn davon ausgehend, dass BesetzerInnen eher politisch interessiert sind und wählen gehen, dürfte es einen positiven Zusammenhang zwischen Wählen und Besetzen geben. Diese Idee weiter spinnend wurde die ÖH also besonders durch BesetzerInnen gewählt. Und eine gewählte Institution soll (oder sollte) die eigenen WählerInnen vertreten. Was die ÖH-Innsbruck bei der weltweiten Uni-Brennt Bewegungen eindeutig versäumt hat.

In diesem Sinne beste Grüße,
Ihr Jonas W.


Anhang

An allen Stellen in dieser Gegendarstellung in der von der ÖH die Rede ist, ist die ÖH-Innsbruck gemeint.


[1] Unipress Ausgabe NR1 vom Januar 2010
http://oehinfo.uibk.ac.at/unipress/up_downloads/UP110.pdf

[2] Zahl der Studierenden, Stichtag: 21.12.2009
https://orawww.uibk.ac.at/public_prod/owa/stv01_pub.studier?sem_id_in=2009W&stat_in=1&land_in=1&export_in=N

[3] Statistik der Befürworter durch das Institut für Jugendkulturforschung
http://www.jugendkultur.at/Bundesweite_Repraesentativerhebung_Uniproteste_2009.pdf

[2] Zahl der Studierenden, Stichtag: 25.05.2009:
https://orawww.uibk.ac.at/public_prod/owa/stv01_pub.studier?sem_id_in=2009S&stat_in=1&land_in=1&export_in=N

[4] JUSLINE Österreich, § 109 StGB Hausfriedensbruch
http://www.jusline.at/109_Hausfriedensbruch_StGB.html

[5] ORF Tirol, Kosten für Unibesetzung
http://tirol.orf.at/stories/411493/

[6] Ergebnisse der ÖH-Wahlen
http://www.oeh.ac.at/ueber_die_oeh/oeh_wahlen/wahl_09/ergebnisse_09/universitaetsvertretungen/

[7] Zahl der Studierenden, Stichtag: 25.05.2009:
https://orawww.uibk.ac.at/public_prod/owa/stv01_pub.studier?sem_id_in=2009S&stat_in=1&land_in=1&export_in=N

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